Suizid: das große Missverständnis

Suizid

Suizid, oder Selbstmord, ist eines der dunkelsten und schwierigsten Themen im gesamten Gesundheitsbereich. Das größte Problem liegt darin, dass die Gefahr oft verharmlost wird. Wenn jemand Selbstmord erwähnt, ist man oft geneigt, anzunehmen: „er / sie meint das nicht so!“ Leider besagen Untersuchungen und Statistiken diesbezüglich das Gegenteil.

Selbstmord, bzw. Suizid bedeutet, den eigenen Tod, entweder bewusst oder unbewusst, herbeiführen zu wollen. Scheitert der Versuch, spricht man von Selbstmordversuch bzw. Suizidversuch.

Nicht immer ist die Situation objektiv ausweglos

Das zweite große Missverständnis um Suizid ist, dass man immer von einer objektivierbaren, ausweglosen Situation ausgeht: Schulden wachsen ins Uferlose, eine Krankheit kann nicht mehr beherrscht werden beispielsweise, die eigene wirtschaftliche, soziale und sogar physische Existenz ist „ausweglos“ bedroht.

Fakt ist: Außenstehenden muss eine Situation, in der sich eine selbstmordgefährdete Person befindet, nicht besonders schrecklich oder ausweglos erscheinen. Die Situation wird aber vom Betroffenen entweder als ausweglos empfunden oder aber es hat sich ein so massiver innerer Druck aufgebaut, der zu einer selbstzerstörerischen Handlung „zwingt“.

Suizid: diese Personen(gruppen) sind besonders gefährdet:

  • Menschen, denen ihre Lebenssituation ausweglos erscheint bzw. „über den Kopf wächst“
  • Menschen mit einer Sucht (Alkohol, Drogen)
  • Menschen mit einer „echten“ Depression
  • Sozial isolierte, einsame Menschen, ohne Kontakte nach außen
  • Menschen mit Psychosen (Schizophrenie, Borderline-Syndrom, Angststörungen etc.)
  • Menschen mit organischen / psychiatrischen Erkrankungen („endogene“ Depression), hormonellen Veränderungen, höchstgradigem chronischem Erschöpfungssyndrom
  • Unheilbare Kranke oder verletzte Personen

Suizid: zwei ungewöhnliche Fakten, die zum Nachdenken anregen

Zwei Fakten, die man als Laie nicht glauben würde: Die Suizid-Rate ist tatsächlich während der „hellen“ Jahreszeit am größten, also im Frühling und Sommer. Der Grund mag an der subjektiv empfundenen Diskrepanz zwischen der „extrovertierten“ Jahreszeit und der inneren Isolation des Patienten aufgrund seiner Probleme / psychischen Störung liegen.

Der zweite Fakt: mehr als die Hälfte aller, die ihren Selbstmord ankündigen, führen tatsächlich auch einen Selbstmordversuch durch. Daher sind Ankündigungen immer ernst zu nehmen! Das gilt auch, wenn der Betroffene durch Allgemeinplätze wie: „Es hat ja doch alles keinen Sinn mehr!“ indirekt einen geplanten Selbstmord ankündigt.

Wie macht sich Suizid-Gefahr bemerkbar bzw. kündigt sich an?

Es existieren zwei verschiedene Szenarien, wie sich ein Suizid ankündigen kann. Das erste zehn Mario umfasst drei Stufen und wurde von Psychiater Erwin Ringel entworfen.

Erste Stufe: Einengung: Denken und Handeln werden immer mehr eingeengt. Der Betroffene isoliert sich, bricht soziale Kontakte ab, kann vereinsamen.

Zweite Stufe: Aggressionsumkehr: (Gehemmte) Aggressionen wenden sich zunehmend nicht mehr nach außen, sondern nach innen, gegen den Betroffenen selbst.

Dritte Stufe: Suizidfantasien: Der Betroffene fühlt sich seinem Leben gegenüber nicht mehr gewachsen und entwickelt erste Todesphantasien. Er lebt zunehmend in einer Scheinwelt, in der Tod und Suizid immer mehr im Mittelpunkt sehen.

Ein weiteres 3-Phasen-Modell beschreibt eher Szenarien von Patienten, die sich mit unlösbaren „äußeren Problemen“ konfrontiert sehen.

Erste Stufe: Überlegung, wie es wäre, Tod zu sein, Beschäftigung mit Suizid.

Zweite Stufe: Abwägung zwischen Leben und Tod. Suizid ist eine Option zur Lösung der Probleme, jedoch gibt es noch Gründe, am Leben zu bleiben. Der Betroffene ist hier noch unentschlossen und ansprechbar.

Dritte Stufe: Der Betroffene ist fest entschlossen, Suizid zu begehen. Er plant ruhig, ohne jeden Zweifel, ja erleichtert. Man spricht hier von der berühmten „Ruhe vor dem Sturm“.

(Quelle: TherMedius Handbuch für Psychotherapie)

Aufmerksamkeit ist in jedem Fall verlangt, wenn eine Person mit entsprechenden, überbordenden Problemen im Außen bzw. psychologischen / psychiatrischen / gesundheitsbedingten Störungen im Inneren ihr Verhalten auffällig ändert, völlig neue Muster an den Tag legt und / oder soziale Kontakte abbricht bzw. sich isoliert.

Suizid: das sollten Sie tun, wenn jemand Ihnen dieses Vorhaben ankündigt!

Zunächst: wie gesagt, nehmen Sie die Ankündigung unbedingt ernst! Es ist besser, einmal zu viel auf eine nicht wirklich geplante Ankündigung zu reagieren als einmal zu wenig auf eine tatsächlich geplante Ankündigung.

Falls jemand einen Selbstmord ankündigt, ist folgendes zu tun:

  1. Stellen Sie einen sozialen Kontakt bzw. ein Vertrauensverhältnis her. Reden Sie mit den Betroffenen. Lassen Sie ihn nicht allein. Sprechen Sie das Thema durchaus konkret an (beispielsweise Folgen für andere)
  2. Setzen Sie sich mit der Polizei bzw. dem psychosozialen Notdienst (z.B. über das Gesundheitsamt) in Verbindung bzw. alarmieren diese.
  3. Veranlassen Sie gegebenenfalls eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik bzw. in eine auf die Grunderkrankung spezialisierte psychosomatische Klinik.

Normalerweise bin ich keinesfalls dafür, eine Patienten in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Ein angekündigter Selbstmordversuch stellt für mich eine der wenigen zulässigen Ausnahmen dar. Der Suizid / Selbstmord ist in jedem Fall ein akut und sofort behandlungsbedürftiger psychiatrischer Notfall!

Ist die akute Situation bereinigt, kann eine eventuell vorhandene Grunderkrankung wie Depression psychotherapeutisch und naturheilkundlich (begleitend) behandelt werden.

Mein Fazit

Es ist zwar menschlich, die Ankündigung eines Selbstmords nicht ernst zu nehmen - aber es ist gefährlich und nicht gerechtfertigt. Menschen, die ihren Selbstmord ankündigen, setzen diesen Versuch überraschend häufig in die Tat um. Dies vor allen Dingen, wenn eine psychologische bzw. psychiatrische Grunderkrankung vorliegt. Die wichtigsten „akuten“ Maßnahmen sind: erstens sollte man die betroffene Person aus ihrer Isolation herausreißen, zweitens in eine für sie sichere Umgebung geben.

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